→  Fachinformationen  →  Fragensammlung - beantwortet von Herrn Dr. Ermert

Fragen anlässlich des HC-Erfahrungsaustausches in Frankfurt mit Herrn Dr. Ermert


Am 13.03.04 fand der HC-Erfahrungsaustausch für Erwachsene im Rhein-Main-Gebiet statt (s. Bericht). Dieser Gesprächskreis wurde fachlich von Herrn Dr. Ermert begleitet, der als Kinderarzt über Erfahrung in der Behandlung von Kindern mit einer Spina bifida und/oder einem Hydrocephalus verfügt. Der Anteil der HC-Patienten nahm im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit stetig zu.

Das Motto des Treffens lautete: Mehr persönliche Sicherheit durch Verbesserung des Fachwissens bei Betroffenen.


Frage: Gibt es heute spezielle Fortbildungstagungen für Kinderärzte, die sich mit dem Thema des HCs beschäftigen?
Antwort: Nein. Im Rahmen der (kinder-) ärztlichen Fortbildung spielt das Thema Hydrocephalus nur selten eine Rolle. Spezielle Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte werden von der ASbH angeboten (vgl. Programm der ASbH).

Frage: Ist demnach auch heute das Wissen von Ärzten weitgehend vom Eigeninteresse des Arztes abhängig?
Antwort: Weitgehend ja, aber nicht nur! Das Wissen von Ärzten hängt auch von den Aufgabenstellungen ab,denen sich ein Arzt gegenübersieht. So erwerben manche Ärzte ihr Wissen auch durch den Umgang mit HC-Patienten, indem sie sich in die speziellen Fragestellungen einarbeiten, die vom Patienten an ihn herangetragen werden. Man kann jedoch nicht von jedem Arzt erwarten, dass er sich auf Hydrocephalus-Patienten spezialisiert - und dass zur Führung von Patienten mit Störungen des Hirnwasserkreislaufes inzwischen spezialisiertes Wissen gehört, ist unbestritten.

Frage: Ist die Versorgung von HC-Patienten in einer ärztlichen Praxis zeitlich überhaupt zu leisten?
Antwort: Ja, eine gute Versorgung ist möglich, wie viele Beispiele zeigen. Aber zweifellos erfordert die Betreuung eines HC-Kindes oder eines HC-Erwachsenen wegen der Vielfalt möglicher Fragestellungen einen wesentlich (nach meiner persönlichen Erfahrung einen etwa 10x) höheren Zeitaufwand als die Versorgung von Patienten, die wegen einer eng umschriebenen Fragestellung (z.B. wegen eines Infektes) einen Arzt aufsuchen. Diesen Zeitaufwand können manche Ärzte nicht leisten. Das gilt vor allem dann, wenn der Betroffene nur bei einem Notfall oder in sehr großen Abständen einen Arzt aufsucht. Sehr viel einfacher ist es, wenn eine regelmäßige Betreuung stattfindet. Damit können viele krankmachende Probleme vorsorglich vermieden werden.

Frage: Gibt es allgemeine Empfehlungen, wie oft ein Arztbesuch erfolgen sollte?
Antwort: Die Dichte empfohlener Untersuchungen hängt im wesentlichen von zwei Bedingungen ab: von der Wachstumsgeschwindigkeit und einem individuellen Gefährdungsgrad. Während der Säuglings- und Kleinkindzeit verläuft Wachstum und Entwicklung am schnellsten. Deshalb sind die Untersuchungsabstände im 1. Lebensjahr - wie übrigens bei allen Kindern - dicht (d.h. mindestens im Abstand der allgemeinen Vorsorgeuntersuchungen) zu wählen. Ab dem 2. bis zum 4. Lebensjahr darf der Untersuchungsabstand 6 Monate in der Regel nicht übersteigen. Immerhin hat sich die Körperlänge in den ersten 4 Jahren verdoppelt und das Gehirn 80 % seiner endgültigen Größe erreicht. Die meisten (motorischen, sprachlichen, kognitiven) Entwicklungsmerkmale werden erkennbar. Eine weitere "sensible Phase" besteht während des pubertären Wachstumsschubes zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr. Während dieses Zeitraumes ist auch der durchaus unterschiedliche Gefährdungsgrad eines Kindes und Jugendlichen erkennbar, der sich im wesentlichen aus der Art des Hydrocephalus ergibt: es gibt Kinder, die auf jede auch geringe Störung des Hirnwasserkreislaufes mit heftigen Symptomen reagieren und solche, die Störungen leichter ausgleichen können. Soweit dies bisher bekannt ist, sollte in jedem Fall ein einjähriger Untersuchungsstand eingehalten werden, um auch sich anbahnende Komplikationen bereits im Frühstadium zu erfassen. Selbstverständlich werden die Untersuchungsabstände durch den Krankheitsverlauf verändert. Sicher ist es recht problematisch wenn auch verständlich, wenn wahrnehmbare Krankheitssymptome aus Angst vor unangenehmen Konsequenzen verschwiegen werden, möglicherweise so lange, bis schließlich ein Notfall vorliegt.

Frage: An welchen Arzt kann man sich als Betroffener denn wenden?
Antwort: Es gibt ärztliche Fachrichtungen - hierzu gehören Neuropädiater, Neurologen und (Kinder-) Neurochirurgen - denen die Besonderheiten von Störungen des Hirnwasserkreislaufes in der Regel besser bekannt sind als Ärzten anderer Fachrichtungen, wobei es immer Ausnahmen gibt.

Frage: Welche ärztlichen und menschlichen Merkmale sind besonders wünschenswert?
Antwort: Die besonderen ärztlichen Voraussetzungen könnte man etwa so umreißen: Neurologisches Basiswissen, fachübergreifendes Interesse (so z.B. psychosomatische Sensibilität), Erfahrungen in der Langzeitbetreuung (= lange Zeit treu !). Menschlich sehr wohltuend sind die Respektierung und die aufmerksame Wertung der persönlichen Erfahrung der Betroffenen. Zu bedenken ist nämlich, dass der Betroffene aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrungen nicht selten ein guter (sogar der bessere ?) Spezialist ist. Diese gegenseitige Respektierung ist die Grundlage des durch nichts zu ersetzenden persönlichen Vertrauens. Gemeinsam können Arzt und Patient ihr Wissen und ihre Erfahrung angleichen, wovon beide unbestreitbar hohen persönlichen Gewinn haben. Alle autoritären Gefälle demütigen den Betroffenen und gefährden ihn. Sympathisch finde ich, wenn ein Arzt seine persönlichen Grenzen kennt und zugeben kann und deshalb mit anderen Spezialisten zusammenarbeitet. Es soll nicht beschönigt werden, dass es - wie bei anderen Bürgern auch - bei Ärzten negative Vorurteile gegenüber HC-Betroffenen geben kann, an denen auch noch so weites Entgegenkommen der Betroffenen wenig ändert. Hierzu ist festzustellen, dass die Möglichkeit einer "freien Arztwahl" besteht.

Frage: Das sind ja keine einfachen Voraussetzungen! Wie finde ich denn den Arzt meines Vertrauens?
Antwort: Hier liegt eine besondere Kompetenz der Selbsthilfe, d.h. von Ihnen persönlich: Durch die unterschiedlichen guten und weniger guten Erfahrungen kennen die Betroffenen selbst die ärztlich und therapeutisch tätigen Personen wohl am besten. Sie sollten sich nicht scheuen, Erfahrungen untereinander auszutauschen und Adressen von fachlich und menschlich zu empfehlenden Ärzten und Einrichtungen weiterzugeben. Hierbei ist aber bei der großen Vielfalt der persönlichen Krankheitsmerkmale und Betroffenheit zu beachten, dass ein Therapeut, der dem Einen persönlich sehr weiterhelfen konnte, einem Anderen gar nicht "quot;liegen" muss. Hat man einen guten Therapeuten gefunden, "lohnen" sich auch weite Wege, um ihn regelmäßig aufzusuchen

Frage: Gibt es Regeln, nach denen eine gelungene Überleitung vom Kinderarzt zum Arzt für Erwachsene erfolgen kann?
Antwort: Der Übergang gelingt am Besten, wenn sich der Kinderarzt und sein Patient zusammen mit den Eltern rechtzeitig gemeinsam überlegen, welchem Arzt vor Ort die Patientenführung übertragen werden soll, wenn diesem Arzt alle Unterlagen zum Krankheitsverlauf - Arztbriefe, wichtige Untersuchungsbefunde usw. - zur Verfügung gestellt werden und wenn der bisher betreuende Arzt für eine Übergangszeit auf Wunsch als Berater weiter zur Verfügung steht.

Frage: Es kann schwierig sein, den Verlauf und die Befunde usw. zu erhalten. Was kann ich tun?
Antwort: Jedem HC-Betroffenen sollten möglichst alle Unterlagen zu Hause zur Verfügung stehen. Das erreicht man am besten, wenn man den persönlichen Krankheitsverlauf selbst aufzeichnet und man sich von Anfang an eine Kopie wichtiger Vorgänge geben lässt - und sie erreichbar und geordnet aufbewahrt.

Frage: Wo und wie kann ein HC-Betroffener Wissen über sein Krankheitsbild erwerben? Gibt es Schulungsseminare für HC-Betroffene?
Antwort: Von der ASbH werden zur Zeit folgende Seminare für Betroffene und ihre Angehörigen angeboten:
  • Seminar für Eltern mit Kindern von maximal 6 Jahren
  • Seminar für Eltern von Kindern von maximal 12 Jahren
  • Seminar für Jugendliche von maximal 17 Jahren
Sehr wünschenswert wären ergänzend folgende Seminartypen, die bisher nicht angeboten werden:
  • Seminar für neubetroffene Eltern
  • Seminar für Betroffene und Eltern, die vor der Berufswahl stehen.
  • Seminar für Erwachsene.
Darüber hinaus gibt es spezielle Tagungen für HC-Betroffene aller Altersstufen mit unterschiedlichen, aber immer interessanten Themen. Alle Veranstaltungen werden im ASbH-Brief veröffentlicht.

Frage: Gibt es in diesen Seminaren feste Schulungsinhalte?
Antwort: Ja. In den Seminaren wird allgemeines Basiswissen über Hirnwasserkreislauf und dessen mögliche Störungen vermittelt. Das allein aber wäre für die Teilnehmer unbefriedigend. Wichtige, individuelle Fortbildungsinhalte ergeben sich aus den Krankheitsmerkmalen der Teilnehmer.

Frage: Wir stellen fest: für HC-Erwachsene gibt es bisher noch keine strukturierten Seminare.
Antwort: Das ist richtig, aber Folgendes ist zu bedenken: Die erste Generation von HC-Erwachsenen ist jetzt erst herangewachsen. Jetzt besteht erstmals der Bedarf, dass sich HC-Erwachsene zusammenschließen. Alle bisher entstandenen Seminare waren ursprünglich zunächst unregelmäßige Treffen wie dieses Treffen heute in Frankfurt. Die inhaltliche Festlegung der Seminare erfolgte nach Zeit, Form und Inhalt und richtete sich dem jeweiligen Bedarf der Teilnehmer. So hat jedes inzwischen etablierte Seminar ein eigenes Profil. So könnte auch ein für HC-Erwachsene neuer Seminartyp entstehen, in dem - wie es jetzt bereits erkennbar ist - eine für jeden Teilnehmer sprachlich verständliche fachliche Information erfolgt, viel Zeit zur Diskussion zur Verfügung steht und ausreichend Raum für geselliges Beisammensein besteht.

Fazit:
Es gibt in Stuttgart und in Frankfurt regelmäßige Treffen von HC-Erwachsenen mit persönlichem Erfahrungsaustausch. Die Aktivitäten sind nachzulesen unter www.hydrocepalusseite.de. Aus diesen Treffen könnten früher oder später Seminare oder ähnliche Aus- und Fortbildungsveranstaltungen entstehen.

Anmerkung:
Bei dem Treffen wurden noch weitere Fragen zu den Besonderheiten und möglichen Komplikationen von Hirnwasserableitungen (z.B. zum Erkennen und Verlauf von Bauchfellreizungen und deren Abgrenzung zu Bauchfellentzündungen, schmerzhaften Phänomenen entlang des Shunts ...) zu den möglichen Folgen eines Normaldruckhydrocephalus, zur Wertung und Abgrenzung "Hirndruckzeichen" zu anderen Erkrankungen und Funktionsstörungen (z.B. Schwindel, Kopfschmerz usw.) besprochen. Die Abhandlung dieser Fragen würde den Rahmen der jetzigen Berichterstattung sprengen. Sie wird an anderer Stelle nachgeholt.


Martina Gramel
Jessica Schmitt

Wir danken Herrn Dr. Ermert für den tollen Tag und die Zusammenarbeit beim Ausarbeiten der Fragen.

Datenschutzerklärung



Hydrocephalus-Erfahrungsaustausch
für Jugendliche und Erwachsene
Bildschirm-Zoom: